Deep Fake - Fotos: Gruselig oder Interessant?
Der technische Fortschritt lässt sich nicht aufhalten, das weiß jede*r. Derzeit ist vor allem eine Software, die mit künstlicher Intelligenz (KI) arbeitet, in aller Munde: Deep Nostalgia macht aus einem Foto ein Video. Passend zu meiner neu erscheinenden Kurzgeschichtensammlung Angst: Wer hat Angst - vor der Angst? frage ich mich in diesem Beitrag, ob solche Programme eher gruselig sind oder Interesse wecken und gebe meine eigenen Erfahrungen damit wieder.
Meine Erfahrung
Normalerweise bin ich sehr kritisch, was technische Neuerungen angeht, da sie häufig einen Haken haben. Als ich Anfang März aber auf Deep Nostalgia von MyHeritage.de stieß, änderte sich meine Sichtweise etwas. Dies ist ein in Isreal entwickeltes Programm, dessen Resultate zurzeit viral gehen. Aus einem alten Foto zaubert die Software ein kurzes Video, sodass sich eine Person auf einem statischen Foto plötzlich zu bewegen beginnt. Und ja, wie Zauberei mutet es tatsächlich an.
Nachdem ich einige Beispielvideos gesehen hatte, wollte ich es mal selbst ausprobieren. Dazu lud ich ein Foto meiner vor mehr als zehn Jahren verstorbenen Oma hoch, von der ich aufgrund widriger Umstände kaum Fotos und keine Videos mehr besitze. Nach einer kurzen Registrierung und etwa zwanzig Sekunden Wartezeit war das Video dann fertig, jedoch überzeugte mich das erste Ergebnis nicht, da sich meine Oma zwar bewegte, aber nicht wirklich wie sie selbst aussah. Also nutzte ich ein anderes Bild, dieses Mal von meinem Opa und probierte statt der Animation den Fotoverbesserer aus, der ebenfalls von KI unterstützt wird. Nun war das Ergebnis verblüffend: das unscharfe und leicht pixelige Foto wurde plötzlich scharf, wie ich per Schieberegler gut vergleichen konnte. Also lud ich weitere Bilder hoch, verbesserte einige und probierte erneut die Animation aus. Jetzt wirkten die Resultate schon deutlich echter. Beim genauen Hinsehen entdeckte ich, dass man bei Deep Nostalgia derzeit zwischen zehn verschiedenen Animationen wählen kann, so schaut die Person mal hoch, mal zur Seite, mal mit geschlossenem Mund, mal mit einem breiten Grinsen. Hin und wieder schließt sie auch die Augen, was ich besonders interessant fand.
Die erstellten Videos können sogar heruntergeladen werden, sind aber aktuell auf fünf Stück limitiert. Wer mehr will, muss entweder ein Abo abschließen oder sich mit einer anderen Mailadresse registrieren. Einige Sorgen machte mir der Datenschutz, aber laut Lizenznehmer bleiben die Bilder das eigene Eigentum und werden nicht für andere Zwecke missbraucht. Solltest Du das Programm oder eine Alternative ausprobieren wollen, rate ich Dir trotzdem dazu, nach dem Herunterladen die Bilder zu löschen - denn auch Tote haben meiner Meinung nach Persönlichkeitsrechte. Meine heruntergeladenen Videos habe ich noch geschnitten, um die Übergänge der einzelnen Animationen zu kaschieren und ein längeres Video zu erhalten. Das Anfertigen einer Soundkulisse und das Schreiben eines kleinen Textes, den ich als vermeintlicher Kameramann einsprach, machte die Szene noch realistischer.
Die dunkle Seite nostalgischer Fotos
Wie beinahe alles, haben aber auch solche Programme dunkle Seiten. Vor allem Personen, die nicht zwischen Fiktion und Realität unterscheiden können, werden mit den erzeugten Videos Probleme bekommen. Ich empfehle solche Tools auch nicht frisch Trauernden, die den Tod ihrer Familienangehörigen noch nicht verarbeitet haben. Zu sehen, wie sich eine verstorbene Person mithilfe künstlicher Intelligenz wieder bewegt, kann das Heilen seelischer Wunden erheblich beeinträchtigen. Auch bei emotionaler Instabilität sind diese Programme nicht hilfreich, da man mit ihnen leicht in eine falsche Realität fallen oder in einen Wahn abdriften kann. Auf weitere Risiken wie manipulierte Fotos von Stars, Politiker*innen oder anderen Persönlichkeiten möchte ich an dieser Stelle nicht näher eingehen, da das angesprochene Programm nur für Privatanwender*innen und deren verstorbenen Familienmitglieder gedacht ist.
Gruselig oder Interessant?
Einen Tag habe ich dem Programm gewidmet und verschiedene Fotos unterschiedlicher Personen hochgeladen. Zu keiner Zeit kamen mir die Ergebnisse gruselig vor, doch ich kann Menschen verstehen, denen es Angst macht, wenn sie sehen, wie sich Verstorbene plötzlich bewegen. Das hat wahrscheinlich auch etwas mit religiösen Einstellungen und Lebensansichten zu tun. Je nach Ausgangsmaterial wirken die Ergebnisse schon ziemlich realistisch. Einige halten die Technik auch für pietätlos und vertreten die Meinung, dass man Tote damit nicht wieder "zum Leben erwecken" sollte. Wie Du dazu stehst, kannst nur Du alleine beantworten. Statt mich zu fürchten, fand ich es jedenfalls Interessant, vor allem auch zu sehen, welche Grenzen es noch immer bei dieser Technik gibt...
Die Magie hat ihre Grenzen
Wie
anfangs erwähnt sah besonders das erste Video meiner Oma überhaupt
nicht wie meine Oma aus, was eher ärgerlich war. Nach einigen
Feineinstellungen kamen zwar bessere Resulate heraus, dennoch haben
solche Programme Grenzen, was man je nach Vorlage deutlich merkt. Wenn
sich ein Kopf beispielsweise zur Seite dreht und das Ohr hinunterrutscht
oder ein Doppelkinn an einer Wange entsteht, sieht das ziemlich witzig
aus und zeigt, dass die Technik die Realität zwar gut nachbilden, aber
nicht einholen kann. Auch bei dem Fotoverbesserer kamen solche
Ergebnisse heraus, hier wuchsen z.b. Haare, wo keine waren oder
Augenfarben änderten sich. Bei den meisten Bildern verbesserte sich zwar
die Qualität (wenn sie nicht schon vorher gut war), was man auch an der
Bildgröße der verbesserten Bilder feststellen kann, aber etliche
Staubkörner, Risse und Wasserflecken müssen noch immer in Eigenregie
entfernt werden.
Für wen sich Deep Fake - Fotos eignen
Obwohl heute vieles digital ist, heißt das nicht unbedingt, dass Du viele Bilder Deiner toten Tante oder gar ein Video der vor zwanzig Jahren verstorbenen Urgroßeltern Dein Eigen nennen kannst. Besonders in solchen Fällen eignen sich die Deep Fake - Fotos, ebenso wenn Du testen möchtest, wie ein Schwarzweiß - Foto farbig wird, denn auch das kann heutzutage KI leisten und erinnert an nachträglich kolorierte Filme. Zudem haben wir in unserer heutigen Zeit andere Sehgewohnheiten, unsere Augen empfinden hochauflösende Fotos und Videos angenehmer, als alte Aufnahmen zu betrachten. Obwohl diese natürlich auch einen gewissen Charme haben, steht für viele die Qualität im Vordergrund. Wie echt die bewegten Bilder auch wirken mögen, Du solltest jedoch stets daran denken, dass es Fiktion ist. Am besten funktioniert die Technik bei Personen, die Du persönlich nie kennengelernt hast, da Du so nicht weißt, wie sie sich früher tatsächlich bewegt haben. Die KI ahmt ein möglichst natürliches Ergebnis nach, dennoch solltest Du im Hinterkopf behalten, dass die reale Person ganz eigene Bewegungsabläufe hatte, die sie zu einem wertvollem und einzigartigen Menschen machten.
Fazit
Programme wie Deep Nostalgia eignen sich vor allem für Hinterbliebene, die so gut wie keine Aufnahmen ihrer verstorbenen Liebsten besitzen. Besonders visuelle Menschen können damit auf ihre Kosten kommen, vorausgesetzt sie verfügen über gutes Bildmaterial oder lassen es mithilfe künstlicher Intelligenz verbessern. Die beschriebenen Grenzen, mit der die KI zurzeit noch zu kämpfen hat, werden meiner Meinung nach irgendwann weiter weichen, dann werden sich keine Körperteile mehr verschieben und die Videos vielleicht noch wesentlich hochauflösender, als es momentan noch der Fall ist. Dadurch hat man dann den Eindruck, ein frisch aufgenommenes Video zu sehen. Psychisch Labile sollten allerdings die Finger davon lassen, denn natürlich kann die künstliche Intelligenz keine Toten wirklich zum Leben erwecken, sondern nur deren äußere Hülle. Wie auch immer Du zu dem Thema stehst, Programme wie Deep Nostalgia schaffen es zumindest, dass wir uns wieder mehr mit unseren Ahnen beschäftigen. Und deren persönlichen Eigenheiten und Erlebnisse werden ohnehin ausschließlich in unseren Herzen bleiben.