Homophobie im Entsorgungsunternehmen

03.10.2024

Es sollte angenommen werden, dass in unserer immer aufgeklärteren Welt Dinge wie Homophobie der Vergangenheit angehören. Dass dem leider nicht so ist, verdeutlichen meine persönlichen Erfahrungen mit homophoben Angestellten eines städtischen Entsorgungsunternehmens.

Symbolfoto. Bildquelle: pexels-davefilm-2662212/ pexels-introspectivedsgn-11115604 von pexels.com / Eigene
Symbolfoto. Bildquelle: pexels-davefilm-2662212/ pexels-introspectivedsgn-11115604 von pexels.com / Eigene

In den letzten Jahren gab es die Ehe für alle, die Anerkennung des dritten Geschlechts, Verbesserungen beim Selbstbestimmungsgesetz, das Inkrafttreten des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, zahlreiche Demonstrationen gegen Hass sowie eine etwas deutlichere Sichtbarkeit von Queerness durch Bücher, Filme und Veranstaltungen. Gleichzeitig gibt es aber auch gestiegene Bedrohungen und Gewalt gegen queere Personen durch das Erstarken der AfD sowie anderer Rechtsradikaler und der seit einigen Jahren grassierenden Transphobie. Der Menschenhass wird dabei längst nicht mehr nur von offensichtlichen Rechten geschürt, sondern in die Mitte der Gesellschaft getragen. Ältere Personen nehmen ebenso wie jüngere daran teil, die bis dato gemeinhin als toleranter galten. Dass Homophobie selbst im Jahr 2024 nach wie vor ein Alltagsthema ist, zeigen auch meine folgenden Schilderungen über eine kürzlich ereignete Sachbeschädigung.

Der erste Vorfall: Unangebrachtes Lachen

Bereits davor gab es mehrere Ereignisse, die immer weiter ausarteten, bis sie in der Beschädigung meiner Mülltonne mündeten. Der erste Vorfall ereignete sich Anfang 2024 vor meinem Zuhause. Aufgrund meiner angeschlagenen Gesundheit benötigte ich Hilfe von einem gleichgeschlechtlichen Familienmitglied. In diesem Moment ertönte ein Lachen von Müllwerkern, die vor dem Haus gerade damit beschäftigt waren, den Abfall abzuholen. Ich warf ihnen einen verständnislosen Blick zu, da die Situation alles andere als lustig war. Einen Moment lang überlegte ich, den Vorfall zu melden, schließlich handelte es sich bei den Männern um Angestellte des städtischen Entsorgungsbetriebs, die die Stadt eigentlich mit einem angemessenen Verhalten repräsentieren sollten. Allerdings entschied ich mich dazu, das kindische Benehmen auf sich beruhen zu lassen. Das Lachen wertete ich nicht als Auslachen wegen meiner benötigten Hilfe, sondern als homophobes Lachen, weil mir nicht von einer Frau, sondern von einem Mann geholfen worden war und die Angestellten wie an einem klischeehaften Männerstammtisch an ihren Mülltonnen gestanden und uns ausgelacht hatten.

Der zweite Vorfall: Vom Lachen zur Beleidigung

Rund drei Monate später, im Mai 2024, ereignete sich der zweite Vorfall. Ich war gerade in der Stadt unterwegs, als der Müllwagen die Straße entlangkam und in meine Richtung fuhr. Als er auf meiner Höhe war, rief mir der auf einem hinteren Trittbrett stehende Müllwerker eine homophobe Beleidigung zu. Nun reichte es mir, da dies bereits der zweite Vorfall mit dem Entsorgungsunternehmen war und nun nicht mehr nur gelacht, sondern beleidigt wurde. Der Fahrer des Wagens sagte übrigens nichts zu dem deutlich hörbaren Spruch seines draußen stehenden Kollegen. Zuhause angekommen, schrieb ich eine Mail an das Unternehmen, in der ich den Vorfall schilderte und darum bat, die Mitarbeitenden in Sachen menschlichen Umgangstons zu schulen. Fast wie erwartet erhielt ich auf meine Nachricht keine Rückmeldung. Weder gab es eine Antwort mit einer typischen Deeskalationsfloskel, die besagte, dass das Vorkommnis intern überprüft und sich die Sachbearbeitung danach melden würde, noch eine Entschuldigung. Es wurde einfach gar nicht offiziell auf meine Beschwerde reagiert.

Der dritte Vorfall: Der Hass artet in Sachbeschädigung aus

Vier Wochen später entschied ich mich dazu, die Biotonne mit einem Aufkleber kenntlich zu machen. Seit Jahren trug meine Hausmülltonne bereits einen Aufkleber, mit der ich sie einerseits besser von anderen Tonnen in der Straße unterscheiden konnte und andererseits das trostlose Einheitsgrau etwas verschönern wollte. Die Sonneneinstrahlung hatte diesen Aufkleber jedoch mit der Zeit verblassen lassen, weswegen sie eine Weile lang gar keinen Sticker mehr getragen hatte. Nun wollte ich auch sie neu bekleben. Eigentlich hatte ich ein größeres Motiv wählen wollen, beispielsweise von einer Urlaubsinsel, allerdings gab es im Laden vor Ort keine Sticker mehr und da auch die Auswahl im Internet begrenzt war, entschied ich mich für ein paar Blumen. Am Tag, als die Mülltonne zum ersten Mal nach der Beklebung geleert wurde, befand ich mich erneut in der Stadt und lief an einem Reinigungsfahrzeug vorbei, welches ebenfalls dem städtischen Müllbetrieb gehörte. Ich stellte mich bereits auf eine weitere Beleidigung ein, allerdings nickten die drei hinter dem Wagen arbeitenden Angestellten nur in meine Richtung und begannen dabei zu tuscheln. Zwei Stunden später befand ich mich wieder zuhause. Kurz danach wurde die Biotonne von dem Unternehmen geleert.

Beim Nachschauen entdeckte ich überrascht, dass die Mülltonne beschädigt war. Am rechten vorderen Rand befand sich ein ca. 30 Zentimeter langer Riss. Dieser lag so ungünstig, dass eine weitere Befüllung nicht mehr möglich war, weil dabei Teile des Mülls herausgefallen wären. Zudem handelte es sich bei dem Füllgut eben um Biomüll, was bei den zu dieser Jahreszeit herrschenden sommerlichen Temperaturen die Gefahr für eine Madenbildung und das Anlocken von Schnecken erhöhte. Damit war meine Mülltonne selbst zu Müll geworden.

Die Beschädigung an der Mülltonne. Eingekreist und im unteren Drittel des Risses deutlich erkennbar: ein Schuhabdruck.
Die Beschädigung an der Mülltonne. Eingekreist und im unteren Drittel des Risses deutlich erkennbar: ein Schuhabdruck.

Meine Schlussfolgerungen

Diese Beschädigungen waren eindeutig nicht durch ein vielleicht zu kräftiges Rütteln des Müllwagengreifarms, sondern mutwillig entstanden. Schließlich war keine einzige andere Mülltonne in der Straße beschädigt worden, nur meine. Natürlich wussten die Mitarbeitenden anhand des ersten Vorfalls vor meiner Haustür wo ich wohnte und durch die mit Blumenstickern verzierte Mülltonne konnte sich der verantwortliche Müllwerker denken, dass sie mir gehörte - weil das weitläufige Klischee, dass queere Menschen bunte Sticker nutzen, in meinem Fall tatsächlich zutraf. Gerade einmal zwei Wochen hatten die Aufkleber halten dürfen, ehe die Mülltonne zerstört wurde. Es war auch kein Zufall, dass ich die Mitarbeitenden nur wenige Stunden zuvor in eindeutiger Weise über mich tuscheln gesehen hatte. Offenbar hatten sie in diesem Moment einen Plan ausgeheckt; eine Lektion, die sie mir alleine wegen meiner queeren Identität beibringen wollten.

Als ich die beschädigte Mülltonne sah, wusste ich sofort, dass dies die Tat eines Müllwerkers war, schließlich hatte die mit den gleichen Motiven beklebte Hausmülltonne die letzten Wochen unbeschadet vor dem Haus gestanden. Wäre es eine homophobe Aktion anderer Anwohnenden gewesen, hätten sie die Tonne wesentlich früher beschädigt. Die Biotonne, die hier zerstört wurde, stand allerdings zum ersten Mal seit ihrer Beklebung dort, noch dazu am Gehwegrand, weil sie natürlich geleert werden sollte. Und beim Aufstellen an ihren Platz war sie noch vollkommen intakt gewesen. Einen Materialverschleiß konnte ich ebenfalls ausschließen, weil die Tonne erst vor wenigen Jahren bestellt worden war und diese für eine deutlich längere Nutzung konzipiert sind, in der Regel zwischen acht bis zehn Jahren. Nein, die Beschädigung sollte mich symbolisch darauf hinweisen, dass ich nicht erwünscht bin und nicht als "normal" angesehen werde. Um trotz seiner Ausschweifung seinen Job nicht zu gefährden, entschied sich der Mitarbeiter wahrscheinlich dazu, auf die Mülltonne einzutreten, statt sie mit diffamierenden Beleidigungen zu beschmieren. Diese Beschädigungen ließen sich für ihn notfalls auch durch einen (wenig glaubwürdigen) Materialverschleiß oder "Zufall" erklären.

Dass dies nicht so war, bewies erstens die Tatsache, dass keine Notiz zurückgelassen oder vom Unternehmen selbst keine neue Mülltonne besorgt wurde und zweitens die Tatsache, dass ich beim genaueren Hinsehen noch einen Schuhabdruck am Riss entdeckte. Der Müllwerker hatte tatsächlich gegen meine Tonne getreten und dabei einen weißen Abdruck seiner staubigen Schuhsohle hinterlassen. Da der Rand verstärkt war, musste er dies mit einiger Wucht getan haben, die den großen Riss entstehen ließ. Das Anrichten dieser Beschädigung wird nicht leise vonstatten gegangen sein, sodass auch hier wieder der Fahrer des Müllwagens weggeschaut haben musste, als sein Kollege seinen Hass an meiner Mülltonne ausgelassen hatte. Durch diesen Vorfall wusste ich nun zumindest, dass meine Beschwerdemail intern besprochen worden war. Doch statt seine Homophobie zu unterlassen, wurde der Mitarbeitende noch wütender und sowohl von seinem Kollegium in der Sachbearbeitung, als auch von den auf der Straße tätigen anderen Müllwerkern gedeckt.

Da die Dienstpläne nicht immer gleich sind und sich auch die Wochentage der Entleerungen in meiner Region jährlich ändern, ist es zu erklären, dass meine vor Jahren erstmals beklebte Hausmülltonne bisher nicht beschädigt worden war. Dadurch lässt sich aber noch ein anderes Detail ableiten: derjenige, der gegen meine Mülltonne getreten hat, muss wegen eines anderen Streckenabschnitts nicht zwingend derselbe gewesen sein, der mich einen Monat zuvor homophob beleidigt hat. So gut wie die interne Besprechung von Beschwerden funktioniert, funktioniert offenbar auch die Anstiftung innerhalb des Kollegiums.

Fazit

Mit der Zerstörung meiner Mülltonne hat der Müllwerker nicht mir selbst geschadet, sondern dem Unternehmen, in welchem er angestellt ist, schließlich gehört die Tonne nicht mir, da sie mir lediglich zur Verfügung gestellt wird. Deshalb habe ich auch, zumindest bei diesem Vorfall, keine Anzeige erstattet. Noch dazu hat er dadurch unnötigerweise weiteren Müll und Plastikschrott produziert. Zu lachen, wenn jemand aus gesundheitlichen Gründen vom gleichen Geschlecht Hilfe benötigt und einen Menschen homophob zu beleidigen, ist eine Sache. Doch wer mit solch einer Wucht auf eine Mülltonne eintritt, um sie und damit das Eigentum der Firma, für die jemand arbeitet, zu zerstören, ist eine andere Sache. Mit dieser Aktion ist der verantwortliche Müllwerker eine weitere Stufe der Gewalt emporgegangen und hat die verbale in körperliche umgewandelt. Sieht die nächste Stufe vor, statt der Mülltonne mich zu verletzen?

Nicht nur den zerstörerischen Mitarbeitenden trifft eine Schuld, auch seine Kollegen, die entweder mitlaufen oder schweigen, weil "richtige Männer" nun einmal zusammenhalten und niemand gerne ein Kollegenschwein ist. Dieses fehlgeleitete Zugehörigkeitsgefühl reicht augenscheinlich bis in die Büros des Müllbetriebs, daher kam auch nie eine Antwort auf meine Beschwerde. Das Entsorgungsunternehmen selbst ist offenbar von Homophobie durchseucht. Inzwischen habe ich zwar eine neue Mülltonne erhalten, allerdings auf meine eigene Tätigkeit hin. Diese wurde von mir ebenfalls wieder mit Stickern beklebt. Ich bin gespannt, wie lange diese Tonne in Ruhe gelassen wird...

Meine Schilderung der Vorfälle macht deutlich, dass es noch viel mehr Bildung und ein noch deutlicheres Statement der Gesellschaft benötigt, um den Queer - Hass einzudämmen. Ebenso wird weitere positive Sichtbarkeit in den Medien wie Büchern und Filmen benötigt, um zu zeigen, dass queere Menschen kein Hassobjekt und keine Menschen zweiter Klasse sind. Dazu trage ich mittlerweile seit fast zehn Jahren mit meinen Büchern, Blog - und Websitebeiträgen bei. Auch wenn es in diesem Fall - zumindest bis jetzt - bei verbalen und Entgleisungen gegen einen Sachgegenstand blieb, möchte ich mit meinem Bericht auf die mir widerfahrene Homophobie und das wegschauende Entsorgungsunternehmen aufmerksam machen.

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